Die Kunst des Zwitscherns

Geschrieben von Agentur M4W
Veröffentlicht am 1. September 2012
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Die ganze Welt in 140-Zeichen-Texten: eine Einführung in das Twitter-Universum und seine Eigenheiten. Wer hier nur banales Geschwätz findet, der hat es selbst so gewollt.

Zugegeben, wir waren auch spät dran: Erst im Jahr 2008 entschied man sich für die Erstellung eines Twitter-Accounts. Damals hatte Twitter im deutschsprachigen Raum vielleicht 30.000 aktive Nutzer.

Heute twittern etwa 500.000 der 100 Millionen deutschsprachigen Menschen. Das sind weniger als 1 %, womit man quasi nach wie vor zu den Ersten gehört, sollte man sich erst jetzt für diesen Dienst entscheiden.

Wir erklären in aller Kürze, was Twitter ist und was twittern bedeutet.

Kommunikation mit 140 Zeichen

Das Grundkonzept: Nach der Anmeldung kann man vom Rechner oder Smartphone Nachrichten von maximal 140 Zeichen Länge veröffentlichen. Diese Länge hat historische Gründe: Anfangs lief noch einiges über SMS, eine SMS hat 160 Zeichen, minus 20 für den Twitter-Nutzernamen.

Eine 140-Zeichen-Nachricht heißt Tweet. Twitter heißt „zwitschern“, ein Tweet ist ein einzelner Piepser.

Man abonniert die Updates einzelner Personen. Dieser Vorgang heißt followen oder „jemandem folgen“. Die Leser heißen Follower. Wenn man jemanden nicht mehr so interessant findet, kann man ihn „entfollowen“ oder „entfolgen“. Auf fremde Tweets antwortet man, indem man den Nutzernamen mit einem @ voranstellt. Der Adressat erhält eine Benachrichtigung.

Angenommen Nutzer1 folgt 100 Personen, Nutzer2 folgt auch 100 Personen, zehn davon sind identisch. Was diese zehn schreiben, sehen sowohl Nutzer1 als auch Nutzer2. Durch die Schnittmengen verbreiten sich Informationen. Zusätzlich gibt es den Retweet: das Weiterleiten von Tweets an den eigenen Kreis. Nutzer1 retweetet einen Beitrag von Nutzer2. Jetzt sehen alle ihre Follower diesen Beitrag, auch diejenigen, die Nutzer2 gar nicht folgen.

Was wird getwittert?

Eine der ersten Fragen zu Twitter ist meistens: „Was schreiben die Leute denn da rein?“ oder „Was soll ich denn jetzt da reinschreiben?“

Darauf gibt es keine einfache Antwort, weil unterschiedliche Menschen Twitter unterschiedlich nutzen. Die einen twittern Links zu Themen, die sie interessant finden. Andere schreiben auf, was in ihrem Leben passiert, auch wenn das vielleicht nicht viel ist. Manche erzählen Geschichten in 140 Zeichen. Andere benutzen Twitter als Kleinanzeigenbörse. Wieder andere nutzen es zur Neubelebung diverser Zitate, Hypothesen oder Aussagen div. berühmter Persönlichkeiten. Auch auf Fragen zu entlegenen Themen kann man bei Twitter Antworten bekommen – oft mehr, als einem lieb ist.

Und wer twittert?

Erfolgreiche deutschsprachige Twitterer haben bis zu sechsstellige Leserzahlen. Wer auf Englisch twittert und prominent ist, kann auch eine Million und mehr Leser erreichen. Lady Gaga hat 20 Millionen Follower. Viele davon sind aber nicht aktiv, da Twitter teilweise nur zum Lesen verwendet wird oder einige keine Zeit finden und wieder abgesprungen sind.

Anfang 2012 hatte Twitter ungefähr 500 Millionen Nutzer. Jeden Tag werden 250 Millionen Tweets veröffentlicht. Twitter finanziert sich durch Werbung und durch Verkauf des Zugriffs auf die Gesamtdaten (zB an Suchmaschinen).

Was ist anders bei Twitter?

Was war eigentlich damals, Mitte der Nullerjahre, an Twitter wirklich neu?

  1. Das einseitige Follower-Prinzip
    Alle sozialen Netzwerke vor Twitter (ca. 2002) kannten nur zweiseitige Freundschaftsbeziehungen. Beide Teile mussten eine Beziehung bestätigen. Aber nicht jedes Interesse eines Menschen an einem anderen wird erwidert. Die Festlegung auf die Freundschaftsmetapher führte etwa bei Facebook zu einer extremen Ausweitung des Begriffs bis zur Inhaltslosigkeit. Bei Twitter kann man jedem folgen, ohne vorher zu fragen. Beziehungen werden dadurch leichter zu knüpfen, internationaler und stärker von gemeinsamen Interessen gesteuert. Es gibt bei Twitter weniger Höflichkeitsverbindungen als bei Facebook, also Kontakte aus der Schule oder der Arbeit. Bei Facebook empfinden viele es als unhöflich, eine Freundschaftsanfrage abzulehnen. Dieser Konflikt entfällt bei Twitter. Der angelegte Filter ist ein anderer als bei symmetrischen Beziehungen. Die Beiträge fremder Menschen spielen eine größere Rolle.
  2. Individueller Nachrichtenkanal
    Twitter ist vollständig an die Interessen des Nutzers angepasst. Jeder stellt sich sein eigenes Twitter zusammen. Twitter ist von allen erfolgreichen Neuerungen im Web wahrscheinlich die, die den schlechtesten ersten Eindruck hinterlässt. Nicht allen erschließt sich auf Anhieb, was diese Individualisierbarkeit eigentlich bedeutet. Aber jeder Mensch hat eine andere Vorstellung davon, welcher Teil das belanglose Geschnatter und welcher Teil von Interesse ist. Wer bei Twitter belangloses Geschnatter liest, der hat es sich so ausgesucht. Der Vorwurf der Belanglosigkeit bedeutet letztlich nur, dass da jemand den Twitterstream eines anderen Menschen betrachtet. Das ist, als würde man fremde Hosen anziehen und sich dann beschweren, dass sie so schlecht passen. Dem Besitzer passen sie gut.
  3. Kürze
    Dass ein Tweet maximal 140 Zeichen lang sein darf, bedeutet nicht nur, dass 141 eben nicht mehr hineinpassen. Es hat Folgen. Die erzwungene Kürze entlastet den Verfasser: Man ist nicht mehr selbst schuld, wenn man zu einem Thema nur einen einzigen Satz sagt. Für einen Blog hätte man sich erst einen Beitrag um den Satz herum ausdenken müssen. Oft entsteht stattdessen gar nichts. Die Hemmschwelle sinkt, auch einzelne Ideen, Gedankenbruchstücke oder schmucklose Informationen zu veröffentlichen. Das wirkt sich auf ganz verschiedenen Gebieten aus, unter anderem auf dem der politischen Mobilisierung. Früher gab es keinen geeigneten Ort für die Nachricht „Ich habe gerade die Petition gegen ACTA unterzeichnet“. Jetzt gibt es ihn. Die Begrenzung auf 140 Zeichen ist auch eine Befreiung vom Druck, alles in längere Texte zu fassen. Dadurch entstehen neue Gewohnheiten.
  4. Mobilität
    Durch die Kürze der Beiträge funktionierte Twittern von Anfang an auch gut unterwegs. Das war bei anderen sozialen Netzwerken nicht oder nur mühsam möglich. Vor allem war es – etwa bei Facebook – nicht öffentlich. Schon früh wurde live aus dem Gerichtssaal getwittert, im deutschsprachigen Raum geschah das erstmals 2009 in Rostock. Danach entstand die Frage, ob twittern aus Gerichtssälen erlaubt sein sollte. Ein verwandtes Problem sind Profisportler, die aus dem Umkleideraum oder von der Ersatzbank aus twittern. Das war anfangs sehr beliebt, wurde aber in den USA inzwischen weitgehend durch die jeweiligen Organisationen verboten.
  5. Schnelligkeit
    Twitter ist schnell. Die Berichterstattung im Netz hat sich dadurch beschleunigt.
  6. Öffentlichkeit
    Anders als zum Beispiel bei Facebook ist Öffentlichkeit der Normalzustand und Nichtöffentlichkeit die Ausnahme. Das bedeutet, dass man sich etwas mehr Mühe geben muss, Beiträge zu schreiben, die nicht nur für Freunde von Interesse sind. Durch diese Öffentlichkeit werden Dinge möglich, von denen empirische Sozialforscher vorher nur träumten. Twitter stellt Programmierschnittstellen bereit, mit denen man – in der Regel kostenlos – von außen auf die Twitterdaten zugreifen kann. Natürlich nicht auf alle, kaum jemand hat die technischen Möglichkeiten, eine Viertel Milliarde Tweets pro Tag zu verarbeiten. Aber das ist auch gar nicht nötig, schon aus kleinen Stichproben kann man dieselben Trends herauslesen wie aus der Gesamtmenge. Die Forschung hat in den wenigen Jahren, seit es Twitter gibt, erst an der Oberfläche dieses Datenbergs gekratzt. Man kann zum Beispiel anhand positiv oder negativ besetzter Wörter ein Stimmungsbild der Welt erstellen oder Studien von 509 Mio. Tweets von 2,4 Mio. Leuten in 84 Ländern auswerten. In allen Ländern wacht man gut gelaunt auf und bekommt im Laufe des Tages schlechtere Laune. Nach Feierabend bessert sie sich wieder. Das ist nicht überraschend, aber bisher wurden solche Daten vor allem an Studenten erhoben, keiner sehr repräsentativen Gruppe. Auch Twitter ist nicht repräsentativ, aber immerhin ist die Streuung dort deutlich breiter.

Noch fragen?

Egal wie Sie zu Twitter stehen und ob Sie diesen Dienst nutzen (wollen). Eines muss Ihnen jedoch bewusst sein: Durch das Zusammenspiel all dieser Punkte, ergeben sich neue Möglichkeiten. Persönlich, unternehmerisch, geschäftlich.

Bei Fragen oder Unklarheiten, aber auch zur unverbindlichen Beratung können Sie uns jederzeit kontaktieren. Gerne helfen wir Ihnen bei der erfolgreichen Einrichtung und Wartung Ihres Twitter-Accounts.

Quelle: derstandard.at

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