Google-Suche lässt sich leicht manipulieren

Geschrieben von Agentur M4W
Veröffentlicht am 22. Mai 2013
Zurück zu Web 2.0

Die Autovervollständigung von Google zeigt, was Menschen suchen. In kleineren Ländern wie Österreich können die Vorschläge bereits mit wenigen Hundert Klicks beeinflusst werden. Dh diese wenigen Klicks reichen aus, um etwa einen Politiker mit dem Keyword „schwul“ zu assoziieren.

Die Gattin des deutschen Ex-Präsidenten, Bettina Wulff, will Google seit mehreren Monaten vor Gericht dazu zwingen, Ergänzungen, die von der Autovervollständigung bei Eingabe ihres Namens gemacht werden, zu streichen. Aber auch wer bei Google nach österreichischen Politikern sucht, findet Vorschläge, die manchen Spitzenpolitikern gar nicht recht sein dürften: Der Name unseres konservativen Vizekanzlers wird an erster Stelle mit „schwul“ ergänzt. Bei einer Suche nach „Stronach“ wird „Scientology“ vorgeschlagen, und zu Häupl fällt Google „Spritzwein“ ein.

„Die Google-Autovervollständigung schlägt bei Eingaben in die Suchmaske normalerweise jene Anfragen vor, nach denen die Menschen am häufigsten suchen. Ob User eingeloggt sind, spielt nur bei Suchbegriffen eine Rolle, die mit einem Account schon einmal verwendet worden sind. Dann werden schon getätigte Suchen weiter vorne gereiht.“ sagt Michael Schwarz, Mitgründer des Suchmaschinen-Optimierers Improove.

Ungewollte Assoziationen manipulieren

Die Vorschläge, die von Google zur Ergänzung eines Begriffs gemacht werden, können aber auch manipuliert werden. Wird von verschiedenen Computern aus gezielt nach einer Kombination wie „Stronach Scientology“ gesucht, scheint diese Kombination irgendwann als Vorschlag bei der Eingabe von „Stronach“ auf. Wie viele Suchen für eine Manipulation notwendig sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Je weniger oft nach einem Wort oder einer Begriffskombination gesucht wird, desto einfacher können die Autocomplete-Vorschläge beeinflusst werden. Deshalb sind Suchbegriffe aus mehreren Wörtern in der Regel einfacher zu manipulieren.

In einem kleinen Land wie Österreich sind die Autovervollständigungs-Vorschläge wegen des geringeren Suchaufkommens deshalb leichter zu beeinflussen als etwa in Deutschland. Bei vielen Suchbegriffen reichen schon Suchanfragen im dreistelligen Bereich, um ein Ergebnis einzuschleusen. Die Kombination „Spindelegger schwul“ etwa ist laut einem Analysetool im vergangenen Jahr durchschnittlich 36 Mal pro Monat bei Google eingegeben worden. Theoretisch könnten die über 400 Abfragen aber auch in einem kurzen Zeitraum getätigt worden sein.

Ein Großteil dieser Such-Anfragen dürfte auf eine Reihe von umstrittenen Äußerungen Spindeleggers zum Thema Homosexualität zurückzuführen sein und nicht zuletzt auch auf einen Tweet von ORF-Anchorman Armin Wolf, der seine Rückkehr als Sommergespräche-Moderator versprach, wenn es einmal einen „schwulen Moslem als ÖVP-Chef gebe“.

Üble Machenschaften möglich

Das Interesse an Politikern im Netz ist geringer, als die meisten Menschen vermuten würden. Mit einigen Hundert Anfragen können hier schon viele Autocomplete-Vorschläge beeinflusst werden. Mit entsprechendem Know-how kann auch eine einzige Person schon Einfluss nehmen.

Diese einfache Manipulierbarkeit weckt Begehrlichkeiten. „Wir bekommen Anfragen von Firmen oder aus dem Umfeld von Politikern, die ihre Autovervollständigung bereinigt haben wollen. Das ist kurzfristig möglich, auf Dauer aber kaum praktikabel. Es gibt auch Firmen, die mittels gekaufter Suchanfragen aus Billiglohnländern Suchbegriffe gezielt negativ beeinflussen. Gegen solche Negativ-Kampagnen können SEO-Agenturen vorgehen. Kommen die unerwünschten aber tatsächlich von Usern, ist das praktisch unmöglich“. Trotzdem ist die Autocomplete-Funktion vergleichsweise einfach für Marketingzwecke zu missbrauchen.

Wenig Schutz

Die Google-Suche etwa ist deutlich besser geschützt. Früher wurden auch dort bekannte Persönlichkeiten mittels so genannter Google-Bomben in Misskredit gebracht. Über die Einrichtung einer großen Zahl an Links, die alle mit „Vollkoffer“ beschriftet waren, auf die Internetseite von HC Strache wurde etwa der FPÖ-Chef zeitweise auf den ersten Platz der Google-Ergebnisse zum Begriff „Vollkoffer“ gehievt. Hier hat Google aber aufgerüstet. „Es gibt praktisch täglich Änderungen am Suchalgorithmus, um solche Eingriffe zu verhindern. Google straft Vergehen auch mit Reputationsverlusten ab. Eine Google-Bombe ist heute zwar noch möglich, aber viel schwieriger als früher. Bei der Autovervollständigung ist Google weit weniger streng.“ legt Schwarz dar.

Rechtslage in Österreich

Wenn sich jemand durch die Google-Vorschläge zu seinem Namen beleidigt fühlt, hat er durch eine aktuelle Entscheidung des deutschen Höchstgerichts jetzt bessere Chancen, eine Entfernung zu erwirken. „Der Bundesgerichtshof hat nicht entschieden, dass die Autocomplete-Funktion an sich rechtswidrig ist, sondern dass Google eine zumutbare Prüfpflicht vernachlässigt hat. Verletzungen des Persönlichkeitsrechts müssen abgestellt werden, sobald Kenntnis davon erlangt wird. Eine Urteilsausfertigung liegt in Deutschland noch nicht vor, Details können erst danach beurteilt werden“, sagt Wolfgang Zankl vom Institut für Zivilrecht der Universität Wien.

In Österreich gebe es diesbezüglich noch keine Entscheidung. „Die Rechtslage ist aber sehr ähnlich. In einem vergleichbaren Fall hat der Oberste Gerichtshof in Wien entschieden, dass verletzende Einträge in einem Online-Gästebuch der Prüfpflicht unterliegen. Wie im deutschen Urteil ist ab dem Moment der Kenntnis der Rechtswidrigkeit zu reagieren“, erklärt Zankl.

Sollte sich ein Kläger finden, stehen die Chancen, Google zur Reaktion zu zwingen, nicht schlecht. „Ich gehe davon aus, dass der Oberste Gerichtshof in Österreich ähnlich entscheiden würde. Die Rechtslage unterscheidet sich zwar etwas, weil Suchmaschinen bei uns laut E-Commerce-Gesetz von der Haftung ausgeschlossen sind, bei der Verletzung von Prüfpflichten ist diese Regelung meiner Meinung nach aber nicht anwendbar“, so Zankl.

Auf die Causa Wulff wird das Urteil in Deutschland auf alle Fälle Auswirkungen haben. „Der Fall Wulff wurde verschoben, um dieses Urteil abzuwarten. Es ist zu erwarten, dass Google auch in ihrem Fall eingreifen muss“, sagt Zankl.

 

Quelle: futurezone.at

0 Kommentare